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Zwischen Anspruch und Realität: Wie aussagekräftig ist die CSL-Umfrage wirklich?

Die Arbeitnehmerkammer Luxemburg (CSL) hat erneut mit einer groß angelegten Umfrage die Arbeitsbedingungen "Quality of Work Index" im Land untersucht. Mit rund 14.000 Befragten im Alter von 16 bis 64 Jahren versucht sie, repräsentative Aussagen über die knapp 545.000 in Luxemburg Beschäftigten zu treffen. Doch trotz dieses ambitionierten Ansatzes bleiben erhebliche Zweifel an der Aussagekraft und Repräsentativität der Studie. Zudem stellt sich die Frage, ob der Fokus auf den öffentlichen Dienst tatsächlich die Interessen aller Arbeitnehmer widerspiegelt oder politisch motiviert ist.

 

Fragwürdige Aussagekraft: Subjektivität und methodische Grenzen

Ein zentraler Schwachpunkt der Umfrage liegt in der Natur der Fragestellungen. Begriffe wie “psychische Belastung” oder “Arbeitsdruck” werden von den Befragten unterschiedlich interpretiert, abhängig von ihrer persönlichen Wahrnehmung und Arbeitserfahrung. Was für einen Beschäftigten als belastend gilt, erscheint einem anderen vielleicht als normal. Diese subjektive Bewertung führt dazu, dass die Antworten schwer vergleichbar und kaum verlässlich verallgemeinerbar sind.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Kontextualisierung. Fragen nach Belastungen oder Arbeitsdruck werden in unterschiedlichen Sektoren, wie der Industrie oder dem öffentlichen Dienst, unterschiedlich verstanden und bewertet. Dies erschwert es, ein klares und objektives Bild der tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu zeichnen.

 

Repräsentativität in Frage gestellt

Obwohl eine Stichprobe von 14.000 Befragten auf den ersten Blick viel wirkt, entspricht sie keine 3 % aller Beschäftigten. Es bleibt unklar, ob alle relevanten Berufsgruppen und Sektoren angemessen vertreten sind. Schon die Formulierung, ob diese Gruppen besonders stark von Problemen wie Stress oder Mobbing betroffen sind oder damit Erfahrungen gemacht haben, vermittelt ein verzerrtes Bild.

 

Unsichtbare Herausforderungen: Psychische Belastungen

Für die Betroffenen sind psychische Belastungen ohnehin eine große Herausforderung, da sie oft nicht visuell sichtbar sind. Diese Unsichtbarkeit erschwert nicht nur die Wahrnehmung durch Außenstehende, sondern auch die rechtliche Anerkennung solcher Probleme. Wie der Bericht der Inspektion du Travail et des Mines (ITM) zeigt, ist es in Luxemburg besonders schwierig, Mobbing oder psychische Belastungen nachzuweisen, da die gesetzlichen Hürden hoch sind und klare Beweise oft fehlen. Seit dem 9. April 2023 gilt das Gesetz gegen moralische Belästigung am Arbeitsplatz. Seit Inkrafttreten des Gesetzes gingen bei der ITM 185 Beschwerden ein - das wären 0,04 % aller Beschäftigten die zum Privatsektor gezählt werden oder anders ausgedrückt - jede 27. Person. 

Stand November 2024, laufen noch 64 Untersuchungen und 111 wurden eingestellt, da die Beweise für moralische Belästigung nicht ausreichten, die geschilderte Situation nicht als moralische Belästigung gewertet werden konnte, oder weil es widersprüchliche Versionen gegeben habe.



Fokus auf den öffentlichen Dienst: Strategie oder Überrepräsentation?

Ein zentraler Kritikpunkt betrifft den besonderen Fokus der CSL auf den öffentlichen Dienst. Dieser umfasst etwa 45.000 Beamte*innen und repräsentiert damit rund 8 % aller Beschäftigten in Luxemburg. In der Studie wird der öffentliche Dienst jedoch mit einem Anteil von 18 % besonders hervorgehoben, was impliziert, dass jede fünfte Person im öffentlichen Dienst von Mobbing betroffen wäre. 

Im Vergleich zu den Zahlen der ITM erscheint diese Darstellung unverhältnismäßig, da sie mehr als dem Fünffachen der gemeldeten Fälle im Privatsektor entspricht. Laut der CSL-Umfrage wären im Privatsektor hochgerechnet 78.500 Menschen betroffen, also etwa jede siebte Person. Solche Hochrechnungen lassen jedoch Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen und werfen Fragen auf.

Dabei ist es wichtig, anzuerkennen, dass Mobbing ein ernstes Thema ist, das durch klare gesetzliche Definitionen geregelt wird und auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Allerdings sollte man beachten, dass nicht alle zwischenmenschlichen Differenzen, die Folgen von schlechtem Personalmanagement oder Überlastung am Arbeitsplatz zwangsläufig in direktem Zusammenhang mit Mobbing stehen. Es ist daher problematisch und grenzwertig, das Gefühl zu vermitteln, dass jede schwierige Situation automatisch als Mobbing zu bewerten sei. Ein differenzierter Umgang mit dem Thema ist hier essenziell.


Eine Studie mit begrenzter Aussagekraft und notwendige Reformen

Die CSL-Umfrage bietet interessante Einblicke in die Arbeitswelt Luxemburgs, doch methodische Schwächen und die Subjektivität der Befragungen schränken ihre Aussagekraft erheblich ein. Hinzu kommen Zweifel an der Repräsentativität, da bestimmte Gruppen möglicherweise unzureichend oder überdurchschnittlich berücksichtigt wurden. Die Fokussierung auf den öffentlichen Dienst im Wahljahr wirft zudem die Frage auf, ob die Studie primär der breiten Interessenvertretung oder politischen gewerkschaftlichen Agenden dient.

Besonders psychische Belastungen stellen eine unsichtbare, aber schwerwiegende Herausforderung dar, die nicht nur komplex zu analysieren, sondern auch rechtlich schwer nachzuweisen ist. Um diesen Problemen systematisch zu begegnen, muss dringend eine öffentliche Abteilung innerhalb der ITM eingeführt werden, die sämtliche spezifischen Aspekte von Sicherheit und Gesundheit am kommunalem Arbeitsplatz abdeckt.

 

Plakative Forderungen statt durchdachter Lösungen: Der Reformprozess darf nicht behindert werden

Die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungskommission für Mobbing wirkt recht plakativ und scheint ohne ein durchdachtes Konzept formuliert zu sein. Seit dem 1. Januar 2025 ist die ITM (Inspection du Travail et des Mines) auch für den öffentlichen Dienst zuständig, und eine umfassende Reform dieser Institution steht bevor. Leider hat der kommunale Dienst bislang noch keine Zuständigkeit in diesem Bereich, was unbedingt in der anstehenden Reform nachgeholt werden muss. Es sollte nachvollziehbar sein, dass kein Minister dieser Reform vorgreifen möchte. Daher ist es entscheidend, dass alle Akteure proaktiv agieren und sich konstruktiv in den Reformprozess einbringen, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Zusätzlich müssen die Möglichkeiten der Arbeitsmodulierung im Krankheitsfall modernisiert werden, um den Betroffenen eine nachhaltige Wiedereingliederung zu ermöglichen. Unter anderem durch solche Reformen können langfristig bessere Arbeitsbedingungen geschaffen und die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt angemessen bewältigt werden.


Respekt, Zivilcourage und Teamgeist: Die Grundlage für ein gesundes Arbeitsumfeld

Darüber hinaus sollten wir als Gesellschaft wieder lernen, respektvoller miteinander umzugehen. Zivilcourage im Berufsalltag bedeutet, nicht wegzusehen, wenn eine Kollegin oder ein Kollege in einer schwierigen oder isolierten Situation ist. Oft können kleine Gesten der Unterstützung oder das Ansprechen von Problemen den Unterschied machen. Ein respektvolles und solidarisches Miteinander ist die Grundlage für ein gesundes Arbeitsumfeld und kann dazu beitragen, psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Unsere Personaldelegationen können hierbei eine entscheidende Rolle übernehmen, indem sie als Ansprechpartner, Vermittler und Unterstützer aktiv dazu beitragen, eine offene und unterstützende Arbeitskultur zu fördern.

Für ein gesundes Arbeitsumfeld brauchen wir keine Statistiken – die Basis dafür sind echter Teamgeist, gelebte Zivilcourage und ein respektvoller Umgang.

 

 

(*) insgesamt arbeiten 45.000 Beamte*innen beim Staat und Kommunen. Für die rund 15.000 Arbeiter*innen im öffentlichem Dienst ist die ITM zuständig und zählen somit zu den Privatrechtlichen.